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Bibbiena

Eingebettet in die sanfte und verträumte Hügellandschaft des Casentino liegt Bibbiena in einem stillen und verträumten Höhental rund 400 Meter über dem Meeresspiegel im Herzen von Mittelitalien. Fast genau in der Mitte zwischen „Knie“ und „Wade“ des italienischen Stiefels gelegen, scheint die Zeitenlauf hier beinahe stehengeblieben zu sein. Dennoch sind die großen touristischen Zentren der Toskana wie Florenz und Siena nur 50 bzw. 75 Kilometer entfernt. Die Kleinstadt mit ihren knapp mehr als 12.000 Einwohnern hat eine reiche Geschichte und birgt in ihren Mauern zahlreiche architektonisch und kulturhistorisch sehenswerte Highlights. Abseits vom Massentourismus gelegen, hat sich Bibbiena noch viel Ursprünglichkeit bewahren können. So sprechen die Einwohner bis heute einen altertümlichen italischen Dialekt, in dem schon Dante, der berühmte Dichter der „Göttlichen Komödie“, im 13. Jahrhundert schrieb. In dem weltweit bekannten Meisterwerk der mittelalterlichen Literatur wird Bibbiena mehrfach erwähnt.

Archäologische Spuren weisen darauf hin, dass Bibbiena bereits weit vor der römischen und italischen Zeit von den Etruskern gegründet worden sein muss. Die wasserreiche Gegend am Zusammenfluss von Arno und Archiano und ihren zahlreichen Nebenflüssen war ideal für die Gründung einer Siedlung. Aus dem Dunkel der Geschichte tritt die Landstadt im Mittelalter und in der folgenden Renaissance-Zeit, als Bibbiena in die Machtkämpfe zwischen den Guelfen und Ghibellinen geriet. Später schlossen sich Stadt und ihre führenden Familien eng an das mächtige Florenz und die dort herrschende Dynastie der Medici an. Vom Glanz der toskanischen Metropole fiel reichlich genug auch für die kleine Schwester Bibbiena ab, wovon heute eine Reihe gut erhaltener historischer Bauwerke aus verschiedenen Jahrhunderten zeugen. Die meisten Sehenswürdigkeiten sind im historischen Stadtkern auf dem Hügel sowie in den verschiedenen ländlichen Ortsteilen zu finden. Neben vielen reich mit Kunstwerken ausgestatteten Stadtkirchen gehören dazu Dorfkirchen aus dem Mittelalter ebenso wie prächtige weltliche Paläste, Herrenhäuser und Villen aus verschiedenen Epochen. Ein historischer Turm ist ebenso zu bewundern wie ein zum Museum umfunktioniertes ehemaliges Gefängnis. Ein Spaziergang durch die sehenswerte historische Altstadt von Bibbiena ist wie eine kleine Zeitreise durch die Jahrhunderte.

Palazzo Dovizi

Der Palazzo Dovizi gilt als der prunkvollste unter den zahlreichen Renaissance-Palästen in Bibbiena. Der Wohnsitz einer der tonangebenden adeligen Herrscherfamilie der Stadt wurde im typischen Renaissance-Stil und mit charakteristischem Turm nach Florentiner Vorbild 1498 erbaut. Mit seinen drei großzügig angelegten Stockwerken gehört das für die Spätrenaissance in der Toskana typische Bauwerk zu den imposantesten seiner Art innerhalb der Stadt. Hier erblickte der spätere berühmte Kardinal und Sekretär von Papst Leo X., Bernado Dovizi, genannt „Bibbiena“, das Licht der Welt. Die Wohnräume des Kardinals können besichtigt werden, wozu auch die Schlafgemächer und ein prächtiger Kamin gehören.

Teatro dei Dovizi

Ebenfalls den Namen der ehemaligen Herrscherfamilie der Stadt trägt das Teatro dei Dovizi im Herzen von Bibbiena. Das Gebäude bietet architekturhistorisch einen interessanten Sprung ins 19. Jahrhundert und wurde 1842 vom Florentiner Star-Architekten Niccolò Matas entworfen. Der Florentiner Architekt mit spanischen Wurzeln war bekannt für seinen prunkvollen neogotischen Stil der toskanischen Spielart und hat neben zahlreichen weiteren Gebäuden die Basilica di Santa Croce in Florenz gebaut. Nach einem Zwischenspiel als Kino wurde das Theater 1997 aufwändig restauriert und wird heute wieder als Bühne für klassische und moderne Stücke bespielt.

Palazzo Martellini

Aus den zahlreichen Palästen, die sich im historischen Stadtkern von Bibbiena wie zu einem Mosaik formieren, ragt der Palazzo Martellini an der Via Cappucci als ein besonders gelungenes Beispiel weltlicher Renaissance-Baukunst heraus. Ursprünglich im 15. Jahrhundert mit einer der führenden Patrizierfamilien der Stadt als Bauherren errichtet, erhielt der Wohnsitz in den folgenden Jahrhunderten weitere Anbauten. Besonders sehenswert und eine kleine Oase der Ruhe ist der im typischen Stil der Frührenaissance geometrisch angelegte „italienische Garten“ mit alten Beständen von Buchsbäumen.

Piazza Tarlati

Ein Fest für Fotografen und ein Augenschmaus für Freunde pittoresker toskanischer Stadtszenarien ist die mitten im historischen Zentrum gelegene Piazza Tarlati. Der Platz hat seinen Namen nach der gleichnamigen Familie, die hier in einem der prächtigen Renaissance-Paläste residierte. Markantestes Sightseeing-Objekt an der Piazza und ein begehrtes Fotomotiv ist der Torre campanaria (auch Torre Tarlati oder Il Campanone), ein einzeln stehender, fahnengeschmückter und etwas windschiefer Glockenturm mit einer neuzeitlichen Uhr. Von hier aus lässt es sich zu einer ausgedehnten Besichtigungstour durch die uralten Gassen und Gässchen der malerischen Stadt starten.

Brunnen in Bibbiena

Brunnen in Bibbiena ©iStockphoto/Robert Simon

Kirche und Kloster San Lorenzo

Die schlichte aus Steinen der Region erbaute Kirche San Lorenzo mit angeschlossenem Klostergebäude erinnert an das ausgeprägte Wirken des Heiligen Franz von Assisi und des Franziskanerordens im Casentino über Jahrhunderte. Der sakrale Gebäudekomplex, der in seiner Einfachheit von den prunkvollen Palästen wie dem des Kardinals Dovizi beeindruckend bescheiden absticht, wurde von den Mönchen im 14. Jahrhundert erbaut. Kunsthistorisch bedeutsam im Inneren der kleinen Kirche sind die glasierten Ton-Reliefs mit biblischen Szenen aus der Werkstatt der toskanischen Bildhauer-Familie Della Robbia aus dem späten 15. und 16. Jahrhundert.

Oratorio di San Francesco

Anders als in der bescheiden wirkenden Franziskanerkirche entfaltet sich im Oratorio di San Francesco an der Via Berni trotz des Heiligen Franziskus als Namensgeber barocker Glanz. Ein Oratorio ist das italienische Pendant zu einer Kapelle. Erbaut wurde das privat genutzte Gotteshaus in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts, in den 70er Jahren des 19. Jahrhundert wurde das Oratorio von einem einheimischen Architekten im neoklassizistischen Stil ausgebaut. Aus den sich harmonisch gut ergänzenden verschiedenen Stilrichtungen unterschiedlicher Epochen ergibt sich der besondere Reiz der Kapelle. Ein Kleinod des toskanischen Instrumentenbaus ist die 2011 umfassend restaurierte Orgel aus dem 18. Jahrhundert.

Propositura di Sant’Ippolito martire

Wer ein noch in der Gegenwart spirituelles Leben entfaltendes toskanisches Gottehaus mit mittelalterlichem Flair erleben will, der sollte der Kirche Propositura di Sant’Ippolito martire (Erhöhung des Heiligen und Märtyrers Hyppolith) an der Via Rosa Scoti Franceschi einen Besuch abstatten. Die sehr lebendig in der Gegenwart verhaftet und gleichzeitig mittelalterlich wirkende kleine Kirche bezaubert mit toskanischem Charme, einem luftigen offenen Glockenturm sowie einem kleinen verspielten Vorgarten. Die Wände des Innenraums schmücken vor allem Kunstwerke aus dem 15. Jahrhundert. Am 13. August pflegt die Gemeinde ihr Patronatsfest des Heiligen Hippolyth mit einem festlichen Umzug zu feiern.

Santuario Santa Maria del Sasso

Tief eintauchen in die Mariengläubigkeit der toskanischen Bevölkerung lässt es sich bei einem Besuch der kleinen Wallfahrtskirche Santuario Santa Maria del Sasso. Das katholische Heiligtum wurde nach einer angeblichen Marienerscheinung in schlichter spätmittelalterlicher Bauweise 1347 auf einem Felsen im gleichnamigen Ortsteil Sasso errichtet (sasso ist das italienische Wort für Felsen). Das zentrale Marienbild im Sanktuarium wurde von Meister Bicci di Lorenzo geschaffenem, einem der bedeutendsten Maler der Florentiner Schule an der Schwelle von Spätmittelalter zu Renaissance. Das über 650 Jahre alte Marienheiligtum wird noch heute von gläubigen Katholiken aufgesucht, der Aufstieg zum vom Stadtzentrum rund 1 Kilometer entfernten Sasso ist bequem zu bewältigen.

Pieve Santa Maria Assunta

Wie ein geheimnisvoller Bote aus einer längst versunkenen Zeit wirkt die Pieve Santa Maria Assunta im Ortsteil Partina an einer Landstraße von Bibbiena zur Nachbarstadt Poppi. Pieven sind uralte Pfarrkirchen aus dem frühen Mittelalter, wie sie in dieser Form nur in Italien, speziell in Mittelitalien, zu finden sind. Sie wurden auf Resten antiker römischer Villen erbaut und dienten der Landbevölkerung bei Taufen und Beerdigungen außerhalb der Stadt als sakrale Zentren. Die teilweise gut erhaltene Pieve im romanischen Baustil wurde bereits 1005 in Urkunden des Eremitenordens der Kamaldulenser erwähnt und ist heute in eine Art ländlichen Gutshof integriert.

Fattoria di Marena

Einblicke in das naturbelassene und einfache Landleben bietet die Fattoria di Marena, etwas außerhalb des Stadtzentrums im Grünen gelegen. Das Landgut mit landwirtschaftlichem Betrieb wurde im 17. Jahrhundert von Pietro Nati angelegt und als Gut geführt. Der Florentiner Nati war ein bedeutender Arzt und Naturforscher seiner Zeit. An die Zeit der Entstehung in der Barockzeit erinnern heute noch der schlossparkartig angelegte Garten im geometrisch exakten italienischen Stil sowie eine Allee aus Jahrhunderte alten Zypressen. Heute wird das ehemalige Landgut für Ferien auf dem Bauernhof genutzt.

Villa Fonte Farneta

Landleben der gehobenen Art mit dem Flair alter toskanischer Adelssitze erlebt der Besucher, wenn er sich auf den Weg zur Villa Farneta auf einem baumbestandenen Hügel nahe des springlebendigen Flüsschens Corsalone außerhalb der Stadt Bibbiena macht. Von hier aus schweift der Blick bis zum trutzigen Castello di Montecchio am anderen Flussufer. Der Name der Landvilla leitet sich von einer von Riesenfarnen umgebenen Springquelle ab. In etruskischer Zeit soll hier ein Wasserheiligtum gewesen sein, in christlicher Zeit bauten die in der Region seit dem Mittelalter allgegenwärtigen Kamaldulensermönche eine Einsiedelei und eine der Muttergottes geweihte Kirche. Den Mönchen gehörte die Villa Fonte Farneta bis Anfang des 19. Jahrhunderts, später bauten Florentiner Adelige das Haus zu einem Landsitz aus. Wer in der Toskana romantische Traumhochzeit feiern will, kann sich in den altehrwürdigen Räumlichkeiten in schöner grüner Umgebung mit Panoramablick trauen lassen.

Museo Archeologico del Casentino „Piero Albertoni“

Einen Querschnitt durch die archäologische Geschichte des gesamten Casentino von der Vorgeschichte bis ins frühe Mittelalter bietet das Museo Archeologico del Casentino „Piero Albertoni“ in Bibbiena. Das Museum ist in einem der großen Renaissance-Paläste im historischen Zentrum, dem heute städtischen Palazzo Niccolini, untergebracht. Funde aus der Altsteinzeit sind in den verschiedenen Sälen ebenso zu sehen wie Antikes aus der etruskischen und römischen Geschichte von Stadt und Region. Einen geheimnisvollen Zauber übt die umfangreiche Sammlung an etruskischen Idolen, deren Bedeutung im Dunkeln liegt, aus. Die archaischen Figürchen weisen darauf hin, dass Bibbiena in der vorrömischen Zeit ein wichtiges etruskisches Zentrum gewesen sein muss.

Centro Italiano della Fotografia d’Autore

Dass Bibbiena eine uralte Stadt mit einer jungen und lebendigen Szene ist, beweist das Centro Italiano della Fotografia d’Autore an der Via delle Monache etwas außerhalb des Zentrums. Das in einem ehemaligen Gefängnis untergebrachte Institut für künstlerische Fotografie aus Italien hat landesweit einen guten Ruf als Ort für hochkarätige Ausstellungen mit Aufnahmen namhafter Fotografen. Neben zeitgenössischer Fotografie werden auch historische Aufnahmen aus dem Zweiten Weltkrieg und der Mussolini-Zeit von historisch-dokumentarischem Wert gezeigt.

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